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Karl Franz Krapf
Ausgedacht
Kurzgeschichten und Gedichte

Festeinband Juni 2021
96 Seiten | ca. 13,0 x 20,0 cm
ISBN: 978-3-96014-821-0


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Ausgedacht ist ein kleines Buch, das einen großen Bogen spannt.
Es erwartet Sie Spannendes, Berührendes, Skurriles und Freches - vielfältig, bunt und abwechslungsreich wie das Leben selbst, gespeist aus der Lebenserfahrung des Autors.

Die Kurzgeschichten und Gedichte beeindrucken durch dahinterliegende Tiefsinnigkeit, durch Humor, aber auch durch brutale Wirklichkeit, gekonnt und meisterhaft geschildert. Letztendlich entlässt der Autor die Leser aber doch meistens mit einem Schmunzeln.
Die einzelnen Werke wachsen in diesem Buch auf eine besondere Art und Weise zu einer Einheit zusammen und bilden ein Ganzes, das mehr ist als die Summe seiner Teile.

Entstanden sind die Geschichten und Gedichte im Rahmen einer Schreibwerkstatt in der Bücherei in Gmunden, der schönen Stadt am Traunsee in Oberösterreich.

Sechs

Im Grunde genommen war Hermann ein guter Mensch. Vielleicht zu gut, zu wenig Durchsetzungsvermögen, und immer geplagt von der Angst, mit seiner Umwelt anzuecken. Angepasst ja, das war er. Und autoritätsgläubig. Dabei fehlte es ihm nicht wirklich an Intelligenz. Er hatte nur nie gelernt, anders zu denken und zu handeln, wie er eben handelte und dachte.
Und eben dieses Handeln oder besser gesagt Nichthandeln, dieses Angepasstsein und dieses Sich-klein-Machen brachten ihm eine Schwierigkeit nach der anderen ein. Und so hatten sich die Probleme angehäuft, waren zu einem riesigen Berg angewachsen.
Was heute am Plan stand, schien unabwendbar. Wochenlang hatte er vergeblich versucht, eine andere Lösung zu finden. Seit Tagen hatte er kaum geschlafen, in seinem Kopf kreisten dumpfe und wirre Gedanken.
Eine Waffe hatte er sich bereits besorgt. Ersteigert im Internet, bei E-Bay, unter der Rubrik Kinderspielzeug. Sah aber trotzdem wirklich echt aus.
Oftmals hatte Hermann seinen Plan in Gedanken durchgespielt. Die Bank auf der Schiffslände in Gmunden überfallen, das Stück bis zum Kriegerdenkmal laufen und von dort die Flucht mit dem abgestellten Fahrrad fortsetzen. Den Traunsee entlang in Richtung Gasthaus Hoisn. Auf einer Straße, die nach fünf Kilometern endet.
Eine Flucht in eine Sackgasse sozusagen. Von dort aus wollte er über den Hernler-Steig auf den Traunstein. Dort ein, zwei Nächte verbringen, bis die Alarmfahndung im Tal vorüber war.
Der Plan schien Hermann fast genial. Wer suchte einen Bankräuber schon in einer Sackgasse oder auf einem der höchsten Berge des Salzkammerguts? Zumindest konnte er sich an keine Schlagzeile wie: “Täter im Hochgebirge verhaftet“, erinnern.
Hermann betrat kurz nach acht Uhr die Bank. Auf der Nase hatte er eine große Sonnenbrille und am Kopf eine Kappe, die er sich tief ins Gesicht gezogen hatte. Die rechte Hand und die Pistole hatte er in seiner Jackentasche. Hermann ging auf den Schalter mit der zierlichen, jungen Kassiererin zu.
Wortlos legte er einen Zettel auf das Pult. „Überfall, Vorsicht ich schieße!“, stand darauf mit großen Buchstaben. Die Angestellte erstarrte vor Schreck und blickte gleich darauf in einen Revolverlauf.
Hastig stopfte sie Geld in den mitgebrachten Plastiksack. Hermann riss ihn an sich und stürmte aus der Bank. Er lief zum Rad, entledigte sich seiner Verkleidung und verstaute den Plastikbeutel in seinem Rucksack.
Hermann versuchte bewusst, langsam mit dem Rad zu fahren. Niemand war ihm gefolgt und er wollte im Strom der Masse untertauchen. Bedächtig am Traunsee-Ufer entlangfahren, umringt von Autos, Urlaubern und Erholungssuchenden.
Nach 20 Minuten erreichte er den Einstieg zum Traunstein. Er stellte sein Fahrrad ab und ging los. Seine Anspannung, die sich schon ein wenig gelegt hatte, stieg wieder.
Noch eine Stunde bis zum Dachsteinblick, einem Rastplatz auf 1000 Metern Seehöhe. Bis dort wollte Hermann durchhalten, die immer größer werdende Spannung ertragen.
Beim Aussichtspunkt angekommen, nahm er auf einer Holzbank Platz und öffnete den Rucksack mit zitternden Händen. Er wagte es kaum, hineinzusehen. Langsam öffnete er die Laschen der Plastiktasche. Keine rot gefärbten Scheine, kein Alarmpaket. Der Zettel und die Pistole hatten ihre Wirkung getan.
Hermann durchströmte ein unglaubliches Glücksgefühl. Ihm kam vor, es waren viele Scheine, sehr viele sogar. Endlich wieder Hoffnung für ihn, seine Frau und seine Kinder.
Nach einer Stunde Fußmarsch erreichte er sein Ziel, das Alpenvereinshaus. Er bestellte sich ein Bier, ein Mittagessen und sagte dem Hüttenwirt, dass er zwei Tage und zwei Nächte hier verbringen wollte.
Schon lange nicht mehr hatte Hermann so genussvoll gegessen und getrunken. Er war in Hochstimmung, alles war gut gegangen. Die Not würde endlich ein Ende haben. Er bestellte noch ein zweites Bier und betrachtete die umliegende Bergwelt, die umflutet von Sonnenschein vor ihm lag. Genussvoll nahm er einen großen Schluck vom Glas.
Dann fiel sein Blick auf seine linke Hand, die er am Tisch liegen hatte. Hermann wurde bleich.
Sechs. Polydaktylie, hatten die Ärzte zu ihm gesagt. Hermann hatte an der linken Hand sechs Finger. Eine seltene, aber doch immer wieder vorkommende Laune der Natur.
Hermann hatte darauf vergessen, genauso wie jemand vergisst, dass ihm zwei Zähne fehlen oder er eine schiefe Nase hat.
Die Überwachungskamera der Bank. Es war so gut wie sicher, dass sie ihn ausforschen würden.

Hermann legte einen 20-Euro-Schein auf den Tisch, schnallte sich seinen Rucksack um und ging. Sein Ziel war...

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