Karl Maria Machel
Liber Eirene
oder: Die Geschichte einer Liebe
Taschenbuch Mai 2018
440 Seiten | ca. 14,8 x 21,0 cm
ISBN: 978-3-96014-448-9
Liber Eirene
oder: Die Geschichte einer Liebe
Taschenbuch Mai 2018
440 Seiten | ca. 14,8 x 21,0 cm
ISBN: 978-3-96014-448-9
Im Anfang war die Liebe, doch ich weiß nicht, ob sie schon im Anfange bei Gott war, Deus caritas est, doch, ich habe meine Zweifel. Im Anfang war das Wort, in principio errat verbum, denn das gehört nun einmal zur Liebe, zur Minne. Und der Glaube? Auch er manifest, bei vielen; Gott muß es nicht geben, doch vom göttlichen Geist bin ich überzeugt, die Liebe lebt daraus, sind Liebe und Geist nicht eins? Agape und Eros, der orgé als heilige Extase...
Im Anfang war die Liebe, des bin ich gewiß. Sie ist ewig, wenn wohl auch nicht für den Einzelnen, so doch für die menschliche Rasse. Ein psychosomatischer Ausnahmezustand, nüchtern gesehen. Und viel Unsicherheit, oft zu viel vermeintliche Gewißheit, die auf Überzeugung beruht und zu wenig auf Teilen. Amo volo ut sis, Liebe und tu was du willst. Kein Freibrief. Es gilt nur in der Teilung, nur sie macht die Liebe vollkommen. Im Anfang war die Liebe, bewahren wir sie... Schreiben ist Leben und Lieben ist Leben, hier schließt sich der Kreis.
Im Anfang war die Liebe, des bin ich gewiß. Sie ist ewig, wenn wohl auch nicht für den Einzelnen, so doch für die menschliche Rasse. Ein psychosomatischer Ausnahmezustand, nüchtern gesehen. Und viel Unsicherheit, oft zu viel vermeintliche Gewißheit, die auf Überzeugung beruht und zu wenig auf Teilen. Amo volo ut sis, Liebe und tu was du willst. Kein Freibrief. Es gilt nur in der Teilung, nur sie macht die Liebe vollkommen. Im Anfang war die Liebe, bewahren wir sie... Schreiben ist Leben und Lieben ist Leben, hier schließt sich der Kreis.
Eines weiteren schönen Tages, es mag wohl Ende März, Anfang April gewesen sein, klopfte es an der Glastür, die Chefin trat ein: „Johannes, ich möchte Dir Dr. Eirene von Knoop, unsere neue Mitarbeiterin, vorstellen. Wie Du sicherlich weißt, ist ihre Schwester, Frau Dr. Veronika von Knoop, einem Ruf nach Warschau gefolgt...“
Nein, das wußte er nicht, er hatte sich nur gefragt, warum er sie seit gut zwei Wochen nicht mehr zu Gesicht bekommen hatte. Selbst bei ihr Zuhaus brannte nur noch am Wochenende Licht, wenn ihr Mann zuhaus war. Unter der Woche ging dort niemand mehr ans Telefon.
Nein, das hatte er nicht gewußt, es traf ihn, doch ließ er sich auch nichts anmerken und stand der Neuen recht reserviert gegenüber. Überrumpelt fühlte er sich, wer weiß, was Veronika ihr über ihn erzählt, ausgeplaudert, verraten hatte.
Und die Neue lächelte, „Veronika hat mir viel von Ihnen erzählt...“ ‘Also doch... na klar. Denn weißte doch schon alles, dumme Pute.’ ging es ihm durch den Kopf. ‘Was könnte ich dir von ihr erzählen...’ – „sie schwärmte oft von Ihnen...“ – ‘da ist so’n Trottel, der...’ malte er sich aus – „ich freu’ mich also auf die Zusammenarbeit mit Ihnen...“ – ‘um dir den Rest zu geben!’ – Sie reichte ihm die Hand, auffallend schmal war die, doch sonst war sie Veronika recht ähnlich. Sie schien etwas größer, ihr Haar war rotblond, leicht gelockt und etwa hüftlang, ‘auch ihre Augen’, dachte er, ‘ein geheimnisvoller Ton, blauer als die Veronigen sind sie .’ Er beschloß trotzdem, sie links liegen zu lassen.
„Sehr erfreut.“ sagte er reserviert, und sie spürte, daß es nicht stimmte. Beate stieß ihn mit dem Fuß an. Er faßte sich und versuchte ein Lächeln. Es mißlang. Er verschränkte die Arme vor seiner Brust und trat einen Schritt zurück.
Sie, Eirene, beobachtete ihn, seine Hände, groß und stark, und doch irgendwie zart, langgliedrig; seine Augen, lebhaft, klug und tief, und in dieser Tiefe entdeckte sie plötzlich seine Verletzlichkeit, seine Enttäuschtheit, er hatte sprechende Augen, die selbst die Brille überstrahlten. Plötzlich verstand sie ihre Schwester, nur ihre Entscheidung zur Flucht, und das war es ja wohl irgendwie, konnte sie nicht nachvollziehen. Sie wollte ihn berühren, ihm Wärme geben, Ruhe, die brauchte er, fühlte sie, doch gelang es ihr, sich zurückzunehmen.
»Da stand er vor mir, ein großer Mann mit breiten Schultern. Er hatte mir die Hand gegeben und seine Hände waren groß und warm. Und als er sprach, war da seine Stimme, eine melodiöse Stimme.« So ähnlich stand es am Abend in ihrem Tagebuch. ‘Diese Stimme...’ dachte sie, ‘oh, am ganzen Körper Ohren haben...’ Und sie meinte Vero schon irgendwie zu verstehen, er paßte irgendwie zu ihr; ein Relikt ihrer Schwester, ihrer ‘großen’ Schwester.
All das hatte einmal ihr gehört. ‘Schön...’ dachte sie.
Er versuchte noch einmal ein Lächeln, „Ich weiß nicht, was Ihre Schwester...“, sie hörte ein leichtes Zittern in seiner Stimme. „Nur Gutes...“ beeilte sie sich zu sagen.
„...das gibt es nicht über mich!“ sagte er entwaffnend und es klang fast ehrlich, und sie mochte den Klang seiner Stimme, irgendwie melodiös, dachte sie. „Willkommen im Klub...“ schob er nach und wieder verunglückte sein Lächeln. „Sie entschuldigen, ich habe zu tun.“ Er hatte kein weiteres Bedürfnis, sie näher kennenzulernen. So nahm er hinter seinem Schreibtisch Platz, eine Barriere zwischen sie stellend. ‘Ich rede bloß, um nicht zu schweigen, um nicht unhöflich zu sein.’ dachte er und betrachtete die Vorstellung als beendet.
„Geben Sie ihm Zeit...“ bat Beate, als sie sein Büro verließen, „...er ist ein altes Rauhbein, kann sogar richtig eklig werden, doch nur manchmal, im Grunde ist er ein famoser Kerl. Ihre Schwester hatte, glaube ich, auch erst Schwierigkeiten mit ihm, mit seiner Art. Man muß sich auf ihn einlassen, dann können sie fast alles von ihm haben, Kindchen...“ ihre Stimme klang gütig.
Eirene nickte artig, „Vero mochte ihn, und... sie hatte keinen allzu schlechten Geschmack...“ Ihr gemeinsames Lachen, irgendwie konspirativ, befreite. „Sie gefallen mir, Kindchen.“ Es klang fast wie eine Auszeichnung.
Johannes Karlmann Eichstätt hatte einige Überstunden abzufeiern, also beschloß er etwas eher zu gehen ‘um der Neuen nicht unnötig in die Arme zu laufen’. Auf dem Weg nach Hause zupfte er ein einzelnes Wiesenschaumkraut. Er wollte es Eirene an den GSA heften, ein neues Auto auf dem Parkplatz, ein wenig zu grob kam er sich nun vor. Er verwarf den Gedanken jedoch sofort wieder. Grob ja, nickte er, aber wohl jetzt erst, und es tat ihm sofort leid, das Leben eines armen kleinen Pflanzenwesens einer spontanen Eingebung wegen beendet zu haben.
‘Cardamine pratensis, das sogenannte Wiesen-schaumkraut’, dachte er. Es enthält Vitamin C, wußte er, ‘man könne also auch davon naschen’ und man verwendet es auch als Zusatz zu Salaten, zum Beispiel bei Frühjahrskuren zur Blutreinigung. Das tat er nun, den PflanzenTod nicht sinnlos sein zu lassen. Eigentlich interessiere ihn das nicht, gestand er sich selbst ein, aber mit einigen von diesen ‘duftenden Unkräutern’ hatte er sich schon beschäftigen müssen. Der Literatur wegen. Und er hatte im vergangenen Jahr einige Flaschen Aufgesetzten davon gemacht. Eine Flasche mochte bestimmt noch da sein; und er freute sich irgendwie, das sie, die ‘Neue’, davon nichts mitbekäme. ‘Blödsinn’, er schüttelte den Gedanken ab. Egal, für ihn war heute Wochenende. Alles und alle konnten warten.
Eine Woche später war er in der Stadt Jutta in die Arme gelaufen, im wahrsten Sinne des Wortes: „...welch schöner Mann!“ rief sie. Er erinnerte sich: ‘Edith, was für einen schönen Mann Du hast!?’ Peinlich war ihm das. Gleich hielt sie ihn umklammert, hatte er sie am Halse, und der kleine Hund, ein Welpe, den sie sich angeschafft hatte, wohl als Objekt ihrer Zärtlichkeit, düste erregt von ihr an seiner viel zu langen Leine; eben jene, die sie sich selbst anlegte, einzweimal um sie beide, jagte dann noch zwischen ihnen hindurch und band sie so aneinander.
„Der Hund weiß, was zusammengehört.“ kommentierte Jutta den Akt ihres Köters, „Er will uns binden...“
‘Scheißviech...’ dachte Johannes, er mochte keine Hunde, behielt es aber für sich; „Cave canem...“ gab er von sich, „Warnung vor dem bißchen Hund...“ und stieg aus der Leine. Sie hielt ihn immer noch umfangen. Seine Antipathie gegen Hunde lag nicht an den Hunden, es war eher eine Sache der Besitzer, speziell der Besitzerinnen.
„Juttalein...“ begann er, „ich hab’ keine Zeit, ich hab einen Termin!“ log er und schämte sich plötzlich, dann es fiel ihm ein, pünktlich im Institut sein zu müssen. Damit tröstete er sich. „Ich ruf’ Dich an...“ doch das war nun wirklich gelogen. Er löste sich aus ihren Sehnsuchtsfängen, streichelte ihr weich über die Wange, spürte ihre Wärme und Weichheit, und ihre Spinnfäden.
So überließ er sie ihrem Klitorisschnauzer mit bindender Cupidofunktion und ging seiner Wege.
„Bald, bald...“ rief sie ihm nach, „ruf mich bald an...“ flüsterte sie ihm atemlos hinterher. „bitte...“
‘Und irgendwann, wenn Du mal frei bist, greif ich zu!’ dachte sie, ’Und wenn nicht?’, fiel ihr dann ein, doch betrübt blieb sie nicht lang, ‘Nun, auch dann! Irgendwann. Irgendwie, Irgendwo. Vielleicht sogar öfter...’ beschloß sie und war gar freudig erregt.
‘Frauen, die Hunde haben, wollen, brauchen eigentlich keine Männer.’ dachte er und daß jeder Mann dort nur eine zweite, eine untergeordnete Rolle spielen würde. ‘In so einer Beziehung.’ Permanent würde das Viech dazwischen stehen, seine, ihre ganze Aufmerksamkeit einfordern, und sicherlich auch erhalten. Dazu kannte er die hundehaltende Dämlichkeit zu gut. Und er kannte sie, Jutta, und ihre unterschwellige Selbstsucht, ihre SelbstVerständlichkeit, wie er es oft gesagt hatte. Sie hatte die Anspielung nie begriffen. Nur der ist zu einer Partnerbeziehung fähig, der es fertigbringt, einen Teil seiner selbst dem Anderen anzuvertrauen.
In Amsterdam hatten sie sich dereinst kennengelernt, im September ‘87 war das gewesen, durch Zufall; sie waren beide im selben Verein gewesen, hatten auf dem Sloterplaas ihre Zelte nebeneinander aufgeschlagen, waren zusammen über den Flohmarkt gebummelt, bald Hand in Hand und er war recht schnell begeistert von ihr, irgendwie zeigte sie Geist, hatte so recht schnell den Schlüssel zu seinem Herzen gefunden. Er hatte dort einen Talar erstanden, süß sähe er darin aus, säuselte sie. Scharf... hatte sie sagen wollen, sich aber auf die Zunge gebissen und wie immer hatte er nichts gemerkt.
Intelligent war sie, auch belesen und attraktiv obendrein. Bald hatte sie ihn durchgeärmelt und er mochte Frauen, die die Initiative ergriffen, und er ließ sich gern verführen, fast vergewohltätigen, mit sanfter Gewalt zu beider Glück zwingen. Und abends gingen sie umschlungen, einander wärmend, und nachts, nachts fragte sie ihn und sich in seinem Arm, warum sie wohl das zweite Zelt aufgebaut hatte. ‘Pro forma...’ hatte er geantwortet, wußte er noch, ‘als Alibi für die Vereins-kameraden.’
Doch hatte er je die Frau in ihr gesehen? Und: hatte sie je die Frau in sich gespürt, entdeckt? Er schüttelte gedanklich, tief in sich den Kopf. Hineinonaniert hatte er nicht in sie. Doch Gefäß, Puppe war sie wohl schon immer gewesen, und innerlich tot, nur für diesen Moment gelebt, den Orgé vielleicht mehr erhofft statt erlebt erfühlt genossen. Liebe ist mehr als Faszination, mehr als Sex gleich gar. Sex ist die Erfüllung einer Liebe, nicht ihr Medium, ihr Vehikel... erst recht nicht ihr Sinn!
Er schob den Gedanken beiseite, hatte das Institut bald erreicht. Am Schreibtisch angekommen, dachte er noch einmal über die Begegnung nach. »Eine Frau ist etwas mit Geruch • ewig überweht vom Schoß • schimmert sie durch die Nacht • ...die Zärtlichkeit eines Rockes... • ...die Leidenschaft der Schenkel... • die Weichheit des Höschens • Denn wer nimmt mich Winters auf • aus vielen Fernen zusammengeweht?«
Wie war das doch damals gewesen, dieser Tag, diese Nacht...
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