\"Du\", sagte ich eines Abends zu ihm, nachdem wir mein Bett zum Vibrieren gebracht hatten und nachdem ich ein winziges und er zwei riesige Steaks mit Salat verzehrt hatten. \"Wie wäre es, wenn du mal mit mir in die Eifel kämst?\" Meine Eltern würden dich gerne mal kennenlernen.\"

Ich sagte das deshalb, weil meine Mutter mich bei einem unserer letzten Telefonate gefragt hatte: \"Sag mal, willst du mir nicht etwas sagen? Du hörst dich so glücklich an.\"

Mütter! Man kann ihnen nichts verheimlichen. Ich liebte meine Mutter. Auf die Weise, wie man Mitte des letzten Jahrhunderts seine Mutter liebte. Nicht, indem ich ihr das gesagt hätte oder bei einem meiner selten gewordenen Besuche um den Hals fiel und ihr einen Kuss auf die Backe drückte. Einfach so, wie es in unserer her nüchternen Eifelheimat war. Ohne große Worte und Gesten, trotzdem innig.

Auch wäre ich nie auf die Idee gekommen, mit meiner Mutter über meine Gefühle für Werner zu sprechen. Nie hätte ich ihr gesagt, dass ich total verrückt nach ihm bin, dass ich verliebt bin über beide Ohren, dass mir bereits Gedanken an eine Ehe durch den Kopf gehen, dass ich in meinem Körper ganze Maikäferschwärme beherberge, die ununterbrochen krabbeln, brummen, ihre Flügel ausfahren. Ich brauchte ihr nichts zu sagen.

\"Bring ihn doch mal mit\" sagte Mutter nur. Und \"Hedwig ist wieder in Hoffnung, Tante Franziska ist nicht gut dran und Vater hat es im Rücken. Und übrigens, Otmar will heiraten.\" Meine Eifeler. Diese merkwürdigen zwiespältigen Gefühle kamen wieder auf. Lange hatte ich den Eindruck, mich ein wenig genieren zu müssen, Werner mit dorthin zu nehmen. Bad und Klo waren zwar jetzt vorhanden. Telefon gab es mittlerweile auch. Aber Vater in seinen Gamaschen, den stinkenden Stallklamotten, die nervigen Tanten, Mutter in der Kittelschürze, der Misthaufen im Hof, die schiefen Scheunen, das Dorf... Werner, der Athlet, der angehende Betriebswirt, der Firmeninhaber, der Stadtmensch. Würde er nicht spöttisch auf all dies herablächeln? Dann aber dacht ich, nun ja, seine Mutter ist auch nicht gerade ein Vorzeigeobjekt. Auch wenn meine Mutter Kittelschürzen trung, so hatte sie dennoch ein viel feinfühligeres Wesen als die alte Krähe in ihren Stadtklamotten, die mich mit ihrer Anwesenheit und ihrer Null-Ahnung in der Firma das ein und andere Mal zur Weißglut brachte.

\"Mit in die Eifel, zu Deiner Familie?\" fragte Werner. \"Du warsch ja auch noch nie bei uns dahoim.\"

\"Du hast mich ja auch noch nie eingeladen\", sagte ich. Dass ich auch nicht scharf darauf war, ich von den Argusaugen der Frau Blümle verfolgt zu wissen oder mich gar ihrer mütterlichen Eifersucht auszusetzen, musste ich ihm ja nicht auf die Nase binden.