Gabriele Eilert-Ebke
Dort, wo Bluebells blühn
Softcover Oktober 2025
242 Seiten | 14,8 x 21,0 cm
ISBN: 978-3-98913-224-5
Dort, wo Bluebells blühn
Softcover Oktober 2025
242 Seiten | 14,8 x 21,0 cm
ISBN: 978-3-98913-224-5
Sommer 1814. Der englische Junge William und sein jüngerer Bruder George werden von ihrer leiblichen Mutter Jane Isaac getrennt und müssen England verlassen. Der Vater Andreas Cleeves ist hannoverscher Artillerieoffizier in englischen Diensten Nach einer beschwerlichen Überfahrt über den Kanal werden sie in Hannover Verwandten des Vaters übergeben. William geht in Hannover zur Schule und macht dort eine Sattlerlehre. Als Geselle lernt er das Zunftwesen und die politische Situation von Deutschland im Vormärz auf jahrelanger Walz kennen. Als Engländer kann er sich dem nationalen Einheits- und Freiheitsfieber seiner Mitgesellen nicht so recht anschließen und bleibt Zuschauer. Als Ausländer und vermeintlicher Jude - sein ursprünglicher Nachname ist Isaac - wird er von ihnen auch nicht als zugehörig betrachtet. Nachdem er endlich im Rheinland den Meister gemacht hat, denkt er ans Heiraten. In Krefeld heiratet er die katholische Sattlermeisterstochter Clara Rabenbrunner. Das ist jedoch mit vielerlei Hindernissen verbunden. Werden seine Verwandten in Hannover ihm dabei helfen? Bekommt er die notwendigen Papiere? Klappt die Mischehe? Nicht alles entwickelt sich nach seinen Vorstellungen, dennoch schafft er es, in Ruhrort eine gutgehende Sattlerwerkstatt zu errichten. Das Schicksal seiner Mutter Jane Isaac und das seiner Ehefrau Clara Rabenbrunner wird ebenfalls eindrucksvoll geschildert. Die Sehnsucht nach seiner südenglischen Landschaft am Meer verlässt ihn sein Leben lang nicht.
Adolph schaut seinen Neffen nachdenklich an. „Was ist, Onkel Adolph, was schaust du so betrübt?“, will William wissen. „Es war 1814 in Brüssel. Ich hatte euch Bengels gerade an einen Kurier der Armee übergeben, der euch nach Hannover bringen sollte. Dein Vater musste sich wohl etwas von der Seele reden. Er erzählte mir die Szene in Titchfield, den Abschied von eurer Mutter. Es hat auch ihn sehr geschmerzt, wie er Jane da vor sich auf den Knien sah, den Blick verschwommen vor lauter Tränen. Er und sein Freund William Braun nahmen euch an die Hand. Zappelnd, eher hängend als gehend habt ihr euch nach Jane umgedreht und aus Leibeskräften geschrien. Ihr wolltet zurück zu eurer Mutter, das kann jeder verstehen. Dann habt ihr plötzlich die zwei Maultiere gesehen. Sie waren für euch und alles Geschrei und Gezappel war verflogen. Der kleine Tross - Offiziere, Kanoniere und ihr auf euren Eseln, gestützt von zwei Soldaten, alle in ihren schmucken Uniformen - zog von dannen in Richtung Dover.“
„Ich erinnere mich an die Überfahrt“, unterbricht ihn William. „Einer der Kanoniere saß strickend auf seiner Kanone, ein lustiger Anblick. Er strickte Strümpfe. Mir hat er auch ein Paar warme Wollsocken gestrickt, sagte: ‚Die strick ich im Handumdrehen, sind ja für kleine Füße!‘ Als wir an der belgischen Küste ankamen, war Flaute. Bei Ebbe war keine Einfahrt in den Hafen möglich. Wir mussten warten, bis wir auf kleinere Boote umsteigen konnten. Und tatsächlich, als wir endlich in Ostende landeten, hatte ich neue Strümpfe an.“ - „Gut, dass du einer traurigen Geschichte auch muntere Seiten abgewinnen kannst“, sagt sein Onkel etwas ungeduldig, denn er will auf das Eigentliche seiner Erzählung kommen.
Über Langensalza marschiert William im Frühjahr 1827 in die thüringische Kleinstadt Kölleda, nördlich von Weimar und lernt hier in der Herberge ein paar Glasergesellen kennen. Sie planen in die Schweiz zu gehen. „Warum in die Schweiz?“, will William wissen. „Wir wollen Freiheit und Gleichheit in einer geeinten Nation, das wollen die Fürsten auf jeden Fall verhindern. Wir aber werden nicht nachlassen und für bessere Bedingungen und eine besser Zukunft kämpfen. Aber vorerst ist die Schweiz sicherer“, entgegnet der Glaser, „und du weißt doch, William, was in den Herbergen so alles besprochen wird. Vor einigen Jahren ist ein Töpfergeselle bei uns im Vogtland durchgekommen. Ich glaube er hieß Jacob, ja genau, Jacob Kaltenbach. Er kam aus einem Städtchen am Oberrhein, aus Sulzburg oder so ähnlich. Er hat uns erst auf die Schweiz gebracht mit seinen Reden über Revolte und Demokratie: ‚Sollt sehn! Bei uns in Baden, da gärt es, so nah an der Schweiz. Wir fordern gleiches Recht für alle, keine Sonderprivilegien mehr!‘ Mit den Worten ‚diese elenden Unterdrücker in Wien, Metternich und sein Kaiser, alles alte Zöpfe, ab damit!‘ warf er einen seiner Krüge, einen nicht ganz gelungenen, wie uns schien, mit Wucht zu Boden, so dass dieser in tausend Stücke zerbrach.“ Auch in Kölleda gibt es solche Stimmen. In der Herberge geht es in der Tat hoch her. Manche Gesellen meinen sogar, dass es ihnen zu Napoleons Zeiten eigentlich besser ging. „So schnell wird sich nichts ändern“, beendete einer der Glaser die Diskussion und die kleine Gruppe Glasergesellen verlässt zusammen mit William die Herberge in Kölleda. Kurz vor Pfingsten 1827 erreichen sie Loddenreuth nordöstlich von Hof. Der eine Glasergeselle, den es unbedingt in die Schweiz zieht, will zuvor noch seine Eltern besuchen. Aber nicht nur Vater und Mutter, wie sich unterwegs herausstellt. „Bevor ich in die Schweiz gehe, will ich noch zu meinem Mädchen“, sagt er zu seinen Kameraden. Natürlich werden darüber einige spöttische Bemerkungen gemacht: „Und wir dachten, dich bewegt nichts anderes als die Freiheit des tüchtigen Gesellen!“, ruft der eine Glaser und der andere fügt feixend hinzu: „Wie heißt sie denn, die Schöne?“ - „Ja, unser Kampf ist auch wichtig, aber ... . Also, Agnes heißt sie. Ich will sichergehen, dass meine Agnes noch zu mir hält, mir treu bleibt und auf mich warten wird.“ - „Nun gut, da sind wir dabei. Wir gehen mit nach Loddenreuth.“ Am 2. Pfingsttag, sitzt William abends in seiner Schlafkammer und hält sichtlich erschüttert folgenden Vorfall in seinem Tagebuch fest: „Wir reisten ins Vogtland und kamen Donnerstag vor Pfingsten in Loddenreuth an. Daselbst erschoss sich der Geselle aus Loddenreuth in seines Vaters Garten des morgens um 7 Uhr. Während wir anderen beim Kaffeetrinken waren, fiel ein Schuss...”
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