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Gertraud Barthel
Der Trollkönig
14 phantastische Geschichten

Hardcover November 2020
96 Seiten | ca. 19,7 x 24,5 cm
ISBN: 978-3-96014-756-5


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€ 29.90 *
Bedrohlich empfundene Fliegen wecken Erinnerungen, ein Tatoo erscheint plötzlich, ein Badezimmerspiegel wird zum Tor zu einer zweiten Identität ...

Die vierzehn während der letzten Jahre entstandenen Geschichten haben Eines gemeinsam: Ausgelöst von einem realen Erlebnis oder einer konkreten Situation heben sie ab vom Boden der Realität in den Bereich des Phantastischen.


Als ich gerade die Augen schließen wollte, bemerkte ich, dass ich vergessen hatte, den Rollladen des Dachfensters herunterzulassen, so dass noch ein wenig Helligkeit vom bewölkten Nachthimmel ins Zimmer drang. Hatte ich vielleicht auch die Tür zum Treppenabsatz nicht richtig geschlossen? Denn jetzt öffnete sich diese Tür spaltbreit, die Öffnung vergrößerte sich und herein schoben sich tiefschwarze Gestalten, so groß, wie einem Kind ein Erwachsener erscheint, und bewegten sich auf das Bett zu. In der durchsichtigen Dunkelheit des Zimmers waren die Nonnenhabite von kompakter Schwärze, die hageren Gesichter mit den glitzernden Augen und den langen rüsselartigen Nasen waren eng vom schwarzen Schleier umschlossen. Aus den weiten schwarzen Ärmeln kamen klauenförmige Hände mit langen spitznageligen Fingern. Mutter Teresa, Mutter Assunta, Mutter
Gertrudis, Mutter Ichweißnichtmehrwie, und allen voran Mutter Dolores, die Präfektin, in langsamer Prozession kamen sie auf mein Bett zu. Die langen Arme in den weiten Ärmeln bewegten sich rhythmisch vom Körper weg und zurück und erzeugten dabei ein leise schwirrendes Geräusch. Das fortwährende Brummen aber kam aus dem Loch unter den Nasen, und ich kannte es nur zu gut. Sie brummten von Gott und Teufel, Frömmigkeit und Gehorsamkeit, Schuld und Strafe, von der Sündigkeit jedweder Freude und dem Verbot des aufrührerischen Denkens. Mutter Dolores war schon nahe herangekommen und streckte die Klauen aus. Wollte sie ein Buch vom Nachttisch konfiszieren, wie das so ihre Art war? Nein, diesmal war ich
26selbst bedroht, begriff ich voll Panik, und ergriff die Fliegenklatsche als einzig mögliche Verteidigung. Die wurde in meiner Hand plötzlich größer und schwerer, wie eine echte Waffe. Damit schlug ich auf die Nonne ein, die so weit zurückwich, dass ich aus dem Bett springen und in meine Pantoff eln schlüpfen konnte. Mit Wut schlug ich auf die schwarzen Gestalten ein, die unter immer lauter werdendem Brummen und Schwirren versuchten, nach hinten auszuweichen. Aber dort gab es ein Hindernis. Irgendetwas verstellte ihnen den Weg, so dass sie ziellos in dem begrenzten Raum umherschwirrten und immer wieder knallend gegeneinander stießen. Ich schlug mit meiner Fliegenklatsche auf sie ein und traf sie alle. Sie fi elen zu Boden und schrumpft en zu immer kleiner werdenden schwarzen Häufchen. Zuletzt war nur noch Mutter Dolores, die Präfektin, übrig geblieben. Schlau war sie bisher allen Schlägen ausgewichen. Aber jetzt war sie das einzige Ziel und wurde von einem gut gezielten Schlag zu Boden geworfen. Hasserfüllt trat ich mit dem Absatz meines Pantoffels auf die schon schrumpfende Gestalt. Ein schmatzend-knackendes Geräusch, eine gallertige, Weihrauchgeruch verströmende Masse trat aus dem Leib, ein letztes Zucken, dann war auch aus Mutter Dolores ein Häufchen Schmutz auf dem Teppich geworden. Ich legte mich ins Bett, die Fliegenklatsche neben mir, und fiel in einen tiefen, erholsamen Schlaf.

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