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Günter Ostermai
Als die Erde bebte


Taschenbuch September 2016
110 Seiten | ca. 14,8 x 21,0 cm
ISBN: 978-3-96014-171-6


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„Doch mit des Geschickes Mächten
ist kein ew’ger Bund zu flechten,
und das Unglück schreitet schnell.“
Friedrich Schiller

Zu diesem Buch:
Nach den furchtbaren Erlebnissen des Krieges gehört das Erd-beben in Chile vom 22.Mai 1960 zu den schrecklichsten Erinnerungen meines Lebens.Die Erfahrung zu machen, daß die Erde, das Symbol der Fe-stigkeit, vorübergehend keinen Halt mehr bietet, macht unsi-cher und verweist auf die Machtlosigkeit des Menschen.
Unglücklicherweise trafen die Beben mit ihren Folgen in die Feierlichkeiten zum hundertjährigen Bestehen der Deutschen Schule von La Unión.Die allgemeine Betroffenheit bekräftigte den Gemeinschafts-sinn und trug trotz aller Schwierigkeiten zu einer würdevollen Feiergestaltung bei. So soll diese kleine Schrift auch an die vie-len Freunde erinnern, die in diesen Monaten unsere Begleiter waren.
La Marina/Alicante, 1. Juni 2001
[…]„Der Meeresboden kam immer mehr zum Vorschein. Die Bucht von Corral zwischen Amargos und Niebla, zwei Badeorten, lag trocken vor uns. Draußen trieben in wildem Durcheinander Treibholz, Häuser, Möbelstücke, Dächer und viele Boote. In der Bai wurde es sehr unruhig. Schon hatten wir wieder eine riesige Sandwand vor uns: Es donnerte und krachte, das Schiff bekam erneut Schlagseite. Man atmete erst auf, wenn die Sandwellen vorüber waren. Die Stunden vergingen. Der untere Hafen war total verschwunden. Dort, wo die Hafenbüros, Zollämter, Schiffsagenturen und Hotels gestanden hatten, lag der Strand wie eine verlassene Öde. Ein unvergeßliches Bild war es, als wir in den vorbeischwimmenden Häusern noch Leute beobachten konnten. Niemand kann sich ein Bild davon machen, wie diese verzweifelten Gesichter aus den Fenstern herausblickten. Das Feuerwehrgebäude wurde ebenfalls von der See erfaßt und aufs Meer getrieben: Der Feuerwehrmann läutete immer noch; er wollte, als das Beben begann und die See stieg, die Bevölkerung warnen.“[…]

***

[…]In dem kleinen Reservat Collileufu am Lago Budin, acht Kilometer südlich Saavedra, hatten die Indianer sehr darunter gelitten, als am 22.Mai ihr Gott Huen-Chao die Erde erschütterte. Mit Tänzen und Musik versuchten sie ihn zu besänftigen. Es wurden auch Hühner und Schweine geopfert. Der Erfolg bestätigte sie in ihrem Glauben, denn die Beben verloren in den nächsten Tagen an Stärke. Aber die furchtbaren Seebeben, die folgten, ließen sich nicht beruhigen. Auch als die Tsunamis längst an Kraft verloren hatten, stürmte das Meer weiter.
Maria Juana Namoncura, die Machi des Clans, rief die Männer und Frauen zu einem religiösen Fest, zu einem „Nguillatun“. Jedoch ihre Tänze und Beschwörungen, ihre Opfergaben konnten Huen Chao nicht besänftigen. Die Machi glaubte, daß der Gott unzufrieden war mit ihren Opfergaben. Darum ordnete sie an, ein Kind zu opfern, damit die Götter und Dämonen besänftigt werden und das Meer sich beruhigte. Die Wahl fiel auf den fünfjährigen Luis Painecur, der bei seinem Großvater wohnte. Der Vater lebte von seiner Frau getrennt in einem anderen Dorf, die Mutter arbeitete als Dienstmädchen in Concepción.
Die Gerichtsakten geben genaue Auskunft über den Vorfall.
Die Machi schickte Juan Paiñán Huenchuman zum Hause des Großvaters José Painecur, um den Jungen zu holen. Er hatte kein besonders inniges Verhältnis zu seinem kleinen Enkel und zögerte nicht, den Jungen auszuliefern.
Unweit des Strandes hatte sich der Stamm versammelt, um sein Nguillatun zu feiern. Während der Beschwörungen der Machi, die bald in Trance verfiel, wurde der kleine Luis von Juan Paiñán Huenchuman ins Meer geworfen. Die Wellen rissen ihn fort und er mußte ertrinken.
Nachdem die Erd- und Seebeben abgeklungen waren, besuchte die Mutter des Jungen, Rosa Painecur, ihre Verwandten in Collileufu. Fassungslos ließ sie sich von dem ungeheuerlichen Vorfall berichten. Abscheu gegen ihren verantwortungslosen Vater, Zorn gegen die Machi und den Stamm mischten sich mit der Trauer um ihren kleinen Jungen. Sie zögerte nicht, das Verbrechen anzuzeigen.
Die Machi, der Großvater und Juan Paiñán Huenchuman wurden verhaftet. Die Machi leugnete nicht, die Anordnung zu dieser Opferung gegeben zu haben. Aber eine Opferung war für sie nicht mit einem Mord gleichzusetzen. Außerdem hätte sich die Tat als richtig erwiesen, denn das Meer hatte sich beruhigt.
Der Carabinero-Leutnant, der das Protokoll aufnahm, schickte die Machi nach der Vernehmung wieder fort, da sie sich noch im Grade höchster Erregung, beinahe Besessenheit befand. Der Großvater und der Mörder blieben weiterhin in Haft.[…]

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