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Jörg Heydemüller
Generation Prohlis auf dem Weg zum „Bundi“
Eine autobiografische Erlebnisreise zwischen zwei Systemen

Festeinband September 2020
166 Seiten | ca. 14,0 x 20,0 cm
ISBN: 978-3-96014-730-5


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Für Frieden und Sozialismus: „Seid bereit!“ – „Immer bereit!“ Das wird dem Pionier, Jahrgang 1977, nie aus dem Kopf gehen. Die heile, intakte und überwachte Welt der Generation Prohlis im Dreißigtausend-Einwohner-Neubaugebiet in Dresden, gepaart mit dem Wunsch nach einem westlichen Lebensstandard mit Konsumartikeln und Freiheit. Doch plötzlich und unerwartet findet die Transformation in ein neues System statt. Das Halstuch will niemand mehr tragen und fortan soll nur noch die Marke des Turnschuhes wichtig sein. Anstatt Fahnenappelle für alle nun Hockstrecksprünge für die Schwächsten auf dem Schulhof.
Wie hat die Generation Prohlis aus den 80er Jahren den Wandel verkraftet und wie geht es ihr dreißig Jahre später? Eine persönliche, autobiografische Erlebnisreise liefert Antworten.
Im Herbst 1989 schaute ich fast jeden Nachmittag nach der Schule
meinen geliebten „California Clan“ bei RTL und jeden Tag berichteten
Laufschriften am unteren Rand unseres Robotron-Fernsehers über die
neuesten Ereignisse rund um flüchtende DDR-Bürger via Ungarn oder
den Rücktritt von Erich Honecker. Mit zwölf Jahren verstand ich schon
recht gut, dass sich etwas veränderte, ja etwas Großartiges im eigenen
Land in Bewegung geriet. Schon damals ging es mit einer unglaublichen Geschwindigkeit los und nahezu täglich geschah etwas, was kurz
zuvor nicht möglich gewesen wäre und demnach als undenkbar galt.
Wenngleich ich das Ausmaß niemals hätte abschätzen können, schon
gar nicht mit der Vorstellung, dass zwölf Monate später die DDR Geschichte und ich im vereinten Deutschland weiter aufwachsen sollte.
Dabei wollte ich am Anfang der Geschehnisse doch einfach nur ein
Stück mehr vom „Lebensgefühl West“ für mich beanspruchen.
Die hier vorliegenden Erinnerungen spiegeln die Wünsche, Sehnsüchte und Gedanken eines DDR-Kindes aus dem Neubaublock in
Dresden-Prohlis wider. Vom Thälmannpionier zum Bundi – dem
Bundesbürger, wie er umgangssprachlich von den DDR-Bürgern
betitelt wurde. Schon wenige Monate nach dem Mauerfall war, an
einige Hauswände gesprüht, „Bundis raus“ zu lesen.
In der Nacht vom 9. auf den 10. November verfolgte ich die
Übertragung der Pressekonferenz des Politbüros live mit meinen
Eltern im Fernsehen. Für alle, die ich kannte, begann in jener Nacht
der sehnsüchtige Wunsch nach Freiheit und vor allem nach mehr
Wohlstand. Jeder, den ich dreißig Jahre später fragte, konnte sich
noch an diese Nacht erinnern und daran, welche Gedanken er damals gehabt hatte. Im Grunde konnte das ja eigentlich alles nicht wahr sein, was da geschah. Ein Systemwechsel war kurz zuvor noch undenkbar weit weg gewesen. Alles, was danach noch in der DDR
passierte, war nur ein Zwischenspiel, eine Art Zeitaufschub, und
schon ein paar Wochen nach dem Mauerfall glaubte niemand mehr
ernsthaft an die Erneuerung des Sozialismus – es war nun umgangssprachlich der „Sozialmus“. Der wahre „Point Zero“ war allerdings
nicht die Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990, sondern die bereits am 1. Juli 1990 in der DDR eingeführte D-Mark. An diesem
Tag wurden sämtliche Ost-Lebensverhältnisse auf den Kopf gestellt,
aus den Regalen geräumt und wir alle sollten nun Fanta statt Orangenperle trinken, Nutella statt Nudossi essen oder Ehrmann statt
Leckermäulchen löffeln.
Wir Kinder in Prohlis waren plötzlich die Leidtragenden sämtlicher Miseren, die beispielsweise unsere Lehrer, die Verkäuferin in
der Kaufhalle, Nachbarn, die großen Geschwister und unsere Eltern
aufgrund von Zukunftsangst und Jobverlust auszustehen hatten. Das
zeigte sich insbesondere in einem plötzlich verloren gegangenen Familien- und Gemeinschaftsgefühl. Fortan zählten das Recht des Stärkeren und die Erkenntnis: Hast du was, dann bist du was! Die Marke
und das Modell des Turnschuhs sowie die Replay-Lederjacke stellten
nun plötzlich deinen sozialen Status in der Gesellschaft ebenso wie
Macht und Überlegenheit in der Schulklasse oder in der Clique dar.
Am Ende der Erinnerung steht die Dankbarkeit im Einklang mit
dem Entsetzen angesichts des Istzustands nach dreißig Jahren in
einem gemeinsamen Land „auf dem Papier“ und einer scheinbar
unüberwindbaren Mauer, die bereits an die Generationen nach
1990 weiter„vererbt“ wurde, und das auf beiden Seiten Deutschlands. Die Vereinigung Deutschlands ist inzwischen länger her, als
die Mauer jemals stand, und doch ist in den Nachrichten noch immer von „alten“ und „neuen“ Bundesländern die Rede.

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